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Macht Geld glücklich?

Autorenbild: Till JansenTill Jansen

 

Macht Geld glücklich? Bis zu einem bestimmten Einkommen, ja – so jedenfalls heißt es in einer oft zitierten Studie von Kahneman und Deaton (2010). Bis zu einem Einkommen von (damals) 75.000 $ im Jahr wird man glücklicher. Danach nimmt das Glück mit dem Einkommen nicht mehr zu. Ein Plateau ist erreicht.

Eine aktuelle Studie (Killingsworth et al., 2023) korrigiert dieses Ergebnis: Glück, so die Autoren, nimmt auch bei einem Einkommen von mehr als 75.000 $ zu, und es steigt auch noch über 200.000 $ an. Was jenseits dieser Schwelle ist, lässt sich aufgrund der Datenlage nicht mehr genau bestimmen.


Im Taxi weint es sich besser


Mehr Geld führt zu mehr Glück. - Natürlich sollte man diese Aussage mit Vorsicht genießen. Wie die beiden Studien zeigen, ändert sich der Stand der Forschung teilweise schnell. Zudem lassen sich mit Geld weder eine klinische Depression noch der Verlust geliebter Menschen oder andere schwere Schicksalsschläge ausgleichen (worauf auch die Studien hinweisen).

Dennoch hat die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Geld und Glück eine gewisse Plausibilität. Denn auch wenn Geld viel Unglück nicht verhindern oder mindern kann, so vermag es doch zumindest die finanziellen Gründe unseres Unglücks auszuräumen. Geld allein macht nicht glücklich. Aber es ist besser, in einem Taxi zu weinen als in der Straßenbahn, wie Marcel Reich-Ranicki es einmal ausgedrückt hat.


Geld schafft eine zweite Wirklichkeit


Das wiederum heißt jedoch nicht, dass es nicht auch eine spezifische Form des Unglücks gäbe, die an Geld gebunden ist. Geld kann auf eine spezifische Art unglücklich machen. Georg Simmel beschreibt in seiner ‚Philosophie des Geldes‘, wie Geld Bindungen in der Welt transformiert. Wo man einst seine Kuh tauschen musste gegen das, was der andere Tauschpartner gerade anzubieten hatte (Ziegen, Felle etc.), erlaubt Geld, prinzipiell alles im Austausch gegen die Kuh zu erhalten. Indem man sie verkauft, also Geld für sie bekommt, erlangt man Möglichkeiten, andere, noch unbestimmte Gegenstände und Dienstleistungen zu erwerben. So hat Geld selbst zwar keinen (Nutz-)Wert. Man kann es jedoch gegen potenziell alles eintauschen, was einen Nutzwert hat. Geld ist das ultimative Mittel zum Erreichen (fast) aller Zwecke.

In der Folge legt sich Geld wie eine zweite Schicht über die Welt. Alles hat nicht nur den Wert, den es in einer konkreten Situation für eine Person hat, sondern immer auch einen Geldwert. In der Folge bewerten wir die Dinge nicht mehr nur danach, was sie uns wert sind, sondern immer auch danach, welchen Geldwert sie haben, was man auf dem Markt für sie bekommen kann. Neben unsere individuellen Werte tritt ein allgemeiner, ein Marktwert. Die Welt ist somit nicht mehr nur von konkreten Werten bestimmt, die an unsere jeweilige Lebenssituation gebunden sind. Sie wird vielmehr geldförmig.


Glücklich macht Geld nicht, wenn wir unser Glück an es binden


Das klingt zwar ein wenig zynisch, ist aber für die meisten von uns im Alltag kein echtes Problem, da wir individuelle Werte und Geldwert trennen können. Wir wissen zwar, dass es sich im Taxi besser weint als in der Straßenbahn. Wir wissen jedoch auch, dass es im Zweifelsfall besser ist, gemeinsam mit guten Freunden in der Straßenbahn zu lachen, als einsam im Taxi zu weinen. Wir können zwischen unseren Werten und dem Geldwert unterscheiden.

Das gelingt jedoch nicht immer, und es gelingt manchen von uns besser als anderen. Das kann verschiedene Gründe haben. Es mag sein, dass wir biografische Erfahrungen gemacht haben, aufgrund derer Geld in den Vordergrund rückt – sei es nun, weil besonders viel davon da war, oder sei es, weil es besonders wenig davon gegeben hat. Auch die Erfahrung, dass Eltern ihre Wünsche und Interessen, ihre Bekundung von Liebe und Zuneigung über Geld regeln oder dass sie Geld gar als Mittel verwenden, um Macht gegenüber ihren Kindern auszuüben, kann dazu führen, dass wir individuellen Wert und Geldwert nicht mehr recht zu unterscheiden wissen. Vielleicht aber haben wir auch einfach irgendwann im Leben die falsche Abzweigung genommen, eine Weile Geld zu attraktiv gefunden und angefangen, unsere Aufmerksamkeit zu sehr auf den Gewinn zu richten. Vielleicht sind wir so in einem Milieu gefangen, in dem Geld alles und außer Geld nichts ist. Und weil alle, die wir kennen, das auch so sehen, verlieren wir unsere persönlichen Werte aus dem Blick. Die Soziologie nennt das Pfadabhängigkeit.


Das "Auswachsen von Mittel zu Zwecken"


Aus dieser Erfahrung kann entstehen, was Simmel (1989) „Auswachsen von Mitteln zu Zwecken“ nennt. Wir spüren, dass uns etwas Bedeutsames fehlt, können jedoch nicht recht sagen, was uns fehlt. Doch weil wir gelernt haben, dass Mangel immer Mangel an Geld bedeutet, suchen wir nach Geld – in der Hoffnung, hier Sicherheit, Erfüllung und Wärme zu finden. Das eigene Leben wird in der impliziten Hoffnung, dass wir so glücklich werden, auf ökonomischen Gewinn hin ausgerichtet. Doch weil Geld nur ein Mittel ist und kein Zweck, bleibt das Leben stets unerfüllt. Wir sammeln immer mehr Geld und wissen nicht, worum es uns im Leben geht.

Gleichzeitig überlagert die finanzielle Dimension unsere Beziehungen. Wir können nicht mehr sagen, ob die Menschen, die wir unsere Freunde nennen, nicht doch nur wegen unseres Geldes unsere Nähe suchen. Wir wissen nicht, ob unsere Frau noch bei uns bleibt, weil die Scheidung einen zu hohen materiellen Verlust bedeuten würde. Dass dies alles nicht echt ist, spüren wir zwar. Wir vermögen jedoch nicht zu sagen, wie wir dem Problem adäquat begegnen können – oder was das Problem überhaupt ist. Wie ein Schiffbrüchiger, der versucht, seinen Durst mit Salzwasser zu stillen, machen unsere Lösungsversuche das Problem noch schlimmer.

Macht Geld also unglücklich? Grundsätzlich ist die Überlagerung individueller Bewertungen durch Geldwerte immer möglich. Die Überlagerung der sozialen Beziehungen durch Geld wird jedoch ab einem bestimmten Einkommen wahrscheinlicher. Wenn man zum Urlaub auf die eigene Finca in Mallorca oder die eigene Yacht einladen, gute Aufträge in Aussicht stellen und die Geliebte mit entsprechenden Geschenken überschütten kann, wird das Problem wahrscheinlicher. Diese Möglichkeit aber besteht erst ab dem Punkt, an dem die Datenlage Killingsworths, Kahnemans und Mellers’ unzuverlässig wird – jenseits der 200.000 $.

 


Literatur

 

Kahneman, D., & Deaton, A. (2010). High income improves evaluation of life but not emotional well-being. Proceedings of the National Academy of Sciences, 107(38), 16489–16493. https://doi.org/10.1073/pnas.1011492107

Killingsworth, M. A., Kahneman, D., & Mellers, B. (2023). Income and emotional well-being: A conflict resolved. Proceedings of the National Academy of Sciences, 120(10), e2208661120. https://doi.org/10.1073/pnas.2208661120

Simmel, G. (1989). Philosophie des Geldes. Suhrkamp.

 


 
 
 

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